Zu den Pflanzenfarben

Die Pflanzenfarben lernte ich 1996 in Dornach bei einem Seminar kennen, das von Günter Meier geleitet wurde. Er forschte über 30 Jahre an der Qualität, der Lichtbeständigkeit, der besonderen Ausdruckskraft und Schönheit dieser Farben aus der Natur.

Ich war sofort angetan von den Farben, der Herangehensweise, dem Prozesshaften und dem direkten Bezug zu den Pflanzen. Das berührte mich, das machte mich neugierig, das wollte ich näher kennenlernen. Also kaufte ich meine ersten Pflanzenfarben mit Zubehör und fing mit dem Malen an. Ich merkte sehr schnell, dass da etwas ganz Eigenes lebt. Auf jede Farbe musste man sich neu einstellen. Jede Farbe wollte eine eigene Behandlung. Man baute einen ganz anderen Bezug zu der Farbe auf, man war ihr näher, und sie forderte mich heraus. Diese Farben haben Charakter und den wollen sie zum Ausdruck bringen. So möchte z.B. ein Rot aus der Krappwurzel etwas anderes als ein Indigoblau. Das Blau möchte sich weiten, es ist leicht, eher fließend. Das Rot dagegen ist widerspenstig, es ist grieselig, körnig, und man muss sich schon eine Technik erarbeiten, wenn man eine rote Fläche darstellen möchte.

Eine weitere Besonderheit der Pflanzenfarbe ist ihre Lebendigkeit und ihre Beziehung zum Licht.

“Das durch Farbe und Bindemittel fallende Licht soll nicht nur zurück geworfen, sondern als verwandeltes “glimmerhaftes Licht“ durch die Farbigkeit zurück gehen“.

 „Mineralien werden als Farbträger bei den Farben durchscheinend verwendet, im Malgrund als deckendes Mineral. Der im Bindemittel enthaltene verharzte Pflanzenschleim legt sich um die Pigmente. Die Farbkörner liegen so nicht nebeneiander, da sonst eine Pigmentschicht entstehen würde. Sie haben Abstand voneinander und werden von der Fläche abgehoben. Dadurch sind sie schwebend in den Lichtkräften.“

Eine Pflanze ist im Gegensatz zu Steinen und Mineralien ein Lebewesen. Betrachten wir die Pflanzenfarben aus dieser Sicht, so sehen und erleben wir, dass Mineral- und Erdfarben nicht Lebewesen sind, ebenso wenig wie Erdöl. Die Pflanzenfarbe ist eine “wirkende Farbe“, da im Umgang mit ihr lebendige Prozesse entstehen – ob in der Forschung, der Herstellung oder beim Malen. Nur wenn die Materie das Lichthafte behält und weiter entwickelt, entsteht in all diesen Tätigkeiten Geistigkeit“ 
(Günter Meier, Pflanzenfarben, S. 12 f).

 

Wir sehen das Lebendige im Werden und Vergehen der Pflanze im Jahreslauf. Des Weiteren kann man eine Vorstellung gewinnen, wie Lichtkräfte an der Pflanze wirken und wie diese Kräfte dann wiederum in den Pflanzenfarben zum Ausdruck kommen. Ebenso zeigt der Farbherstellungsprozess Lebendigkeit sowie das gewonnene farbige Pigment als kleinstes lichtdurchflutetes Mineral und der Malvorgang selbst. Auch entsteht diese Lebendigkeit auf der Bildfläche. Die Farben scheinen auf sanfte Weise in Bewegung zu geraten. So bilden sie gerne komplementäre Farbenpaare, schweben fast über die Bildfläche in einer sanften Dynamik, erzeugen leichte Räumlichkeiten und plastische Modellierungen, samtig, weich wirkend in einem eigenen Spiel ihrer angelegten Farbqualitäten. Sie sind charaktervoll, erfüllen den Raum aufbauend und können durch bewusste Gedankenarbeit ihre Wirkung noch verstärken.